Als ich das erste Mal in China war dachte ich es sei eine gute Idee, als Souvenir eine Flasche Wein mitzubringen. Was sich zuhause allerdings aus der Flasche ergoss, erinnerte geruchlich an eine Mischung aus Hochprozentigem und billigem Parfum und ein wenig an das Zeug, das in Schnapspralinen zu finden ist. Zum Geschmack sag ich mal lieber nichts, nur so viel: Verwendung gefunden hat der "Wein" zum Ansetzen einer Bowle, die mit sehr viel neutralisierenden anderen Getränken aufgegossen wurde...
Mal abgesehen davon hat China aber tatsächlich eine sehr alte Weintradition - und ich rede dabei nicht vom unvermeidlichen Pflaumen- oder Reiswein. In Henan beispielsweise fand man in rund 9.000 Jahre alten Tongefäßen Reste eines vergorenen Getränks, das u.A. Trauben-Rückstände enthielt.
Bis zum 14. Jahrhundert fand Wein zu religiösen Prozeduren und am Kaiserhof Verwendung und war beispielsweise bei einigen noch heute verehrten Poeten und Künstlern sehr beliebt. Gern auch im Übermaß, was ihnen zum einen Spitznamen wie "der Unsterbliche des Weins" einbrachte, zum anderen aber auch dazu führte, dass bedeutende Meisterwerke im wahrsten Sinne des Wortes in rauschhaften Zuständen entstanden. Übrigens: Sogar Marco Polo schwärmte vom Wein aus der Region Taiyuan - und der musste es als Wein-verwöhnter Italiener ja wissen... Leider mussten die Weingärten später auf kaiserlichen Befehl Getreidefeldern weichen - das vorläufige Ende der Weinkultur in China.
Heute gibt es insbesondere im Norden des Landes einige große
Weinanbaugebiete, die Chinesen entdecken das Weintrinken für sich. Ist ja auch gesünder als der scharfe Schnaps, den es sonst zu feierlichen Anlässen gibt und Anlässe gibt es viele...
Nach jahrhundertelanger Wein-Abstinanz mussten sie allerdings erst einmal lernen, wie das so ist, mit dem Wein. Zum Glück sind die Zeiten so langsam passé, in denen man trockenen Rotwein mit Cola oder Eiswürfeln mischte, um ihn genießbarer zu machen. Nach wie vor bevorzugt man i.A. aber eher liebliche oder zumindest wenig tanninreiche Weine. Die dürfen gern ein chinesisches Etikett tragen - was drin ist, ist jedoch eine ganz andere Frage. Oftmals umetikettierter Wein aus Frankreich oder Italien, immer häufiger aber auch Wein aus eigener Produktion - mit aus Frankreich importierten Reben und einem französischen Winzer. Da es für Weine keine verbindlichen Vorgaben gibt, ist auch der Jahrgang wenig aussagekräftig - zumal eigene Weine auch gern mit ausländischen gemischt werden.
Wer sich über chinesische Weine informieren will, wird überall auf andere Angaben stoßen und schnell ziemlich verwirrt sein. Ein wenig Aufschluss bietet u.a. das
neu eröffnete Weinkultur-Museum in Maotai, seines Zeichens (angeblich) das größe chinesische Weinmuseum.
Da die Nachfrage immer weiter steigt, wird wohl auch der Weinbau in China wieder mehr an Bedeutung gewinnen. Eine Chance für Chinas immer weiter verarmende Bauern, sich eine interessante neue Geldquelle zu erschließen, zumindest in einigen Teilen des Landes. Sofern sie lernen, dass dabei in erster Linie
Qualität vor Quantität zählt. Und eine Chance für die Industrie, Wein im großen Stil zu produzieren - im letzten Jahr ist es chinesischen Wissenschaftlern gelungen,
jungen Wein innerhalb weniger Minuten reifen zu lassen...
Übrigens: Ganz interessant liest sich der
Bericht des Schweizer Weingenießers und pensionierten Journalisten Peter Züllig zu Wein und Weingütern in China, die er im Rahmen einer Weintour entdeckte.
Labels: China, Wein